Jun 25, 2009

Cresta dels Bessiberris

Route und Biwackplatz
Als wäre die Arbeit als Maurer nicht anstrengend genug, liess ich mich einen Freitag von Xavi am Ort des Geschehens abholen. Anstatt nach Hause zu fahren, fuhren wir in die Berge - Xavi hatte all meinen Bergkram bereits im Auto. Unser Ziel waren die beiden 3000er Gipfel der Bessiberris, eventuell noch der ebendort gelegene Comaloforno - mit 3033m der Zweithöchste Gipfel Kataloniens. Nungut, die Gipfel wären das i-Tüpfelchen des Ausflugs gewesen, doch eigentlich ging es uns um den nicht ganz leichten Grat zwischen den Gipfeln, besonders zwischen den beiden Bessiberris, um etwas zu üben für das, was wir im Juli machen wollen. Wir parkten das Auto bei Einbruch der Dunkelheit am südlichen Ende des Tunnels de Vielha. Nach etwas Gepacke machten wir uns auf den Weg in das Bessiberri-Tal. Zunächst ging es eine Piste entlang, doch bald begann der Weg an Höhe zu gewinnen und an Breite zu verlieren. In Zick-Zack-Serpentinen ging es durch dichten Wald hinauf. Dann öffnete sich die Vegetation und wir befanden uns vor einem See, den wir wegen der Dunkelheit jedoch nicht sofort sahen. Und hier begannen die Probleme. Da wir uns auf einem Geröllfeld befanden waren überall nur Steine, aber weit und breit kein Weg. Ab und zu sahen wir zwar ein Steinmännchen aber einen richtigen Reim konnten wir uns aus ihnen nicht machen. Ab hier brauchten wir etwa doppelt so lang wie vorgesehen für unseren Weg zur Berghütte, wo wir nächtigen wollten.
Die wir aber nicht fanden. Wir wussten zwar ihre UTM-Koordinaten die Xavi an den Rändern der Fotokopie dersWanderkartenausschnitts vermerkt hatte und Xavi hatte auch einen GPS-Empfänger dabei, doch hat er diesen in Koordinaten vom Typ Minuten und Sekunden programmiert und wusste nicht, wie man ihn umkonfiguriert. Super. Neben einem Fluss fanden wir eine ebene Stelle die nicht von Schnee bedeckt war, an der wir biwackten.
Unten im Bild ist mein Schlafplatz
Ich hatte zwar nur meinen Sommerschlafsack bis minimal +16ºC dabei, aber auf der ThermaRest, mit Klamotten und ausserdem im Biwacksack eingehüllt ging es eigentlich noch. Morgens, nach dem Aufwachen sahen wir auch ziemlich bald die Berghütte, etwa 50m über uns auf einem Felsen. Eigentlich war es ganz gut gebiwackt zu haben.
Um 07.30 waren wir einsatzbereit. Ab hier trugen wir nur noch das Nötigste mit: 3 Liter isotonischer Getränke, Seigeisen, Eispickel, Kletterkram, das 60m Seil, Helme, etwas Winddichtes und ein paar Müsliriegel. Zunächst konnten wir dem Schnee noch ausweichen, jedoch ging es bereits steil bergauf. Später ging es dann im Schnee weiter. Ich wollte eigentlich einen Schlenker nach links machen und den Bessiberri-Grat jetwas jenseits des nördlichen Bessiberris erreichen, doch Xavi war für einen Direktaufstieg durch einen Kanal zur einem Punkt, der sich später als die Bretxa de Jaume Oliveres herausstellte. Ein Korredor, der nach oben hin immer enger und steiler wurde, und in dem es nur auf den letzten 5 Metern keinen Schnee mehr gab. Leider ist man an solchen Orten in einer Situation, in der man keine Fotos mehr macht. Kurz bevor wir oben ankamen schnallten wir uns zum bessern Klettern die Steigeisen ab. Irgendwie fiel Xavi dabei der geöffnete Rucksack aus der Hand.
Ohhhh
Der wurde nach unten hin recht schnell. Zwei Wasserflaschen trennten sich bereits frühzeitig von ihm. Hier und dort touchierte der Rucksack einen Felsen, und wir hatten grosses Glück, dass er etwa 200 Höhenmeter weiter unten frontal gegen einen krachte, der ihn zu stoppen vermochte.
Xavi kletterte ihm vorsichtig hinterher um zu retten, was er uns noch an Inhalt zu bieten hatte. Hier oben in der Bresche pfiff ein kalter Wind, weshalb ich die letzten Meter nach oben kletterte und mich auf der anderen Seite des Grates in die Sonne setzte, die ich zum ersten Mal an diesem Tag sah. Ein Blick auf's Telefon: 10.00 Uhr und Empfang!
Ich rief Elisabet an.
Ich hatte nun etwa 1,5 Stunden Freizeit. Der Platz, der mir hier zur Verfügung stand war ziemlich begrenzt, reichte aber zum sicheren Sitzen. Wenn ich mir den Grat jedoch so anguckte, sah er in Richtung Bessiberri Nord unmöglich und in Richtung des südlichen Gipfels sehr schwer aus. Aber ich hatte eine gute Aussicht.
Irgendwann kam Xavi wieder und berichtete, dass noch alles im Rucksack war, ausser der beiden Wasserflaschen, und wir somit nur noch einen Liter übrig hatten. Er hatte zwar auch eine der beiden anderen Flaschen gefunden - doch war sie ihm beim Aufheben aus der Hand geglitten ..... nicht Xavis Tag. Okay, wie geht's weiter?
Fest stand, dass es sich in Richtung des nördlichen Gipfels um echte Kletterei ahndelte. Xavi schaute aufs Material - und siehe da - gestern am Auto hatte er die Schlingen doch noch, mit denen man sich sichere Stände baut...
Ohne diese war ein Klettern seiner Meinung nach nicht empfehlenswert - das fand ich aber nicht weiter schlimm. Machen wir uns also auf den Weg zum südlichen Gipfel.
Der Beginn dieser Kraxelei (um sie vom Klettern mit Seil und Seilsicherungen zu unterscheiden) war echt happig, und ich mochte das gar nicht richtig geniessen, weil es mir doch irgendwie ein wenig zu unsicher schien, doch nach vielleicht 10 Minuten wurde es einfacher.
Hier genoss ich gerade nicht
Es war zwar immernoch sehr luftig da oben, doch zumindest war das Gestein vertrauenswürdig und bröckelte nicht bereits bei prüfenden Blicken aus dem Augenwinkel. Ohne weitere Probleme kamen wir zum 2995m hohen mittleren Bessiberri. Ab hier änderte sich der Fels abermals, wiederrum zum Guten. Es herrschten nun grossflächigere Felsplatten vor, in denen man jedoch trotzdem stets gute Griffe fand. Nach und nach überwanden wir ein paar kurze Schneepassagen, auf denen man besser nicht ausrutscht und kamen zum letzten Zwischengipfel vor dem südlichen Bessiberri, auf dem sich 4 weitere Personen befanden mit denen wir kurz plauderten. Ab hier galt es über tiefe Löcher zwischen Felsblöcken hinwegzuklettern, was eigentlich auch ganz lustig war und wir kamen zu einer Bresche, an der wir nicht ausmachen konnten, wie man weiter vorankommen soll. Vor uns befand sich im Grat ein riesiger Pfeiler, rechts vom Grat handelte es sich um Kletterei mit überhängen (dort bestimmt nicht) und links war ein zunächst sehr steiles Schneefeld, über das man den Pfeiler eventuell umgehen konnte, das jedoch nicht weiter einsehbar war, wodurch wir nicht wussten ob ein Aufstieg zum südlichen Gipfel möglich sei. Und ohne Aufstieg gäbe es auch keinen Abstieg in "unser" Tal, das sich von dort aus auf der anderen Seite der Bergkette befandt. Es war mittlerweile 15 Uhr und wir beschlossen den Kanal als Notausgang zu benutzen, wobei mir das jedoch auch Angst machte, weil es sich um einen sehr steilen und langen Kanal handelte. Wir hatten 3 Schlingen und einen Piton um uns dementsprechend 4 halbe Seillängen abseilen zu können. 120 Meter also - das sollte voll ausreichen um bis zu einem Punkt zu kommen, an dem Schnee liegt, und von wo aus wir uns auf die Steigeisen und den Eispickel verlassen können. Wir schnallten uns bereits hier oben die Steigeisen an. Was folgte, habe ich recht dramatisch in Erinnerung. Nach aussen hin gab ich lediglich den Pessimisten ab (was sicherlich genau so scheisse ist) doch innerlich war ich wirklich besorgt.
Die erste Abseilung nutzte die Seillänge ganz gut aus, jedoch muss sich das Seil beim Einholen irgendwie verheddert haben, denn es hing fest und wir mussten es leider kappen, um zumindest so viel wie möglich Seillänge zu retten. Hier schien selbst Xavi ein wenig verzweifelt un fragte mich, warum dies bloss geschehen müsse. Ich wusste es doch auch nicht. Nun war es nur noch 40 Meter lang aber von hier aus sahen wir bereits, das wir damit bis zum Schnee kommen würden. Nach der zweiten Abseilung standen wir zwar im Schnee, jedoch war es hier immernoch dermassen steil, dass wir lieber noch ein bisschen an Höhe verlieren wollten. Auch nach dem 3. Abseiler wurde es nicht viel besser. Um jedoch nicht alle Kartuschen zu verschiessen beschlossen wir, das Seil nun wieder einzupacken. Hier verlor Xavi durch eine weitere Unachtsamkeit fast seinen Eispickel, der in einem besonders kritischem Moment nur an einem Zähnchen hinten an einer Schlinge seines Rucksacks baumelte, während er ihn suchte .... Nicht bewegen Xavi!! .... ich (immernoch am Seil baumelnd) komme zu Dir und greife den Eispickel bevor er runterfällt. Wie in einem schlechten Hollywoodfilm, doch genau so war es!
Nun ging es bergab wie wir konten. Elegant war es sicherlich nicht. Mit dem Rücken voran, der Schnee war übrigens sehr weich, sich mit einer Hand abstützend, in der anderen den Eispickel führend. Irgendwann liess die Steigung nach und wir trauten uns uns umzudrehen und vorwärts abzusteigen, nun konnte eigentlich nix mehr passieren - tat es auch nicht.Aber Xavi sagte mir, dass er auch Angst gehabt hatte.
Nach etwa einer Stunde waren wir zurück am Biwackplatz, wo wir die Rucksäcke für das Endstück der Tour packten, die dann nochmal 3 Stunden dauerte. Nun verstanden wir auch, warum es uns am Vortag so schwer war, den Weg bei Dunkelheit zu finden - er geht über weite Stücke quer durch Geröll und die Steinmännchen folgten keiner genauen Linie sindern markierten nur grob die Richtung, wenn man zwischen ihnen mittelte. Der See, und überhaupt das ganze Tal, waren jedoch sehr schön.Um 20.00 Uhr waren wir am Auto und erst nach Mitternacht wieder zu Hause.
Auch wenn wir letztendlich keinen 3000er machten, habe ich einen positiven Eindruck von diesem Ausflug, der uns vor allerlei Probleme stellte, die wir allesamt zu lösen vermochten. Und es ist ja immer ganz gut, einen Ort zu haben, an dem es noch was zu machen gibt, wenn man irgendwann mal zurückkehrt.
Bleibt noch das Thema mit dem Trinkwasser .... Nachdem sich die Wasserflasche noch auf dem Grat geleert hatte, nahm ich einige Male den Mund voll Schnee, kurz vor dem Biwakplatz tranken wir zum ersten Mal wieder hatten aber auch nicht übermässig viel Durst. Auf dem Rückweg im Auto jedoch setzte dieser ein, und noch den Tag darauf trank ich Mengen wie selten zuvor in meinem Leben. Die Lippen waren noch die ganze nächste Woche lang spröde und trocken. Ein paar Isostar-tabletten und ein bisschen Sich-Zum-Trinken-Zwingen sind bei solchen Ausflügen also immer empfehlenswert.

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